Meine Reise mit dem Pendolino startet am Krakauer Hauptbahnhof. Seit knapp 9 Monaten verkehren die italienischen Züge in Polen. Ihren Geschwindigkeitsvorteil spielen sie wegen der geringen Anzahl an Halten aus, bis Warschau halten wir gar nicht, so war zumindest der Plan.
Die Realität sieht anders aus. Unterwegs treffen wir auf Baustellen, ein Stromausfall bringt den Zug zum langsamen Rollen und nach einer langen Strecke dann zu stehen. Doch dieser Zug ist modern, hat langen Aufenthalt in Warschau und am Ziel in Gdańsk (Danzig) ist der Zug auf die Minute pünktlich. Ich werde mich daran erinnern, wenn ich wieder mit der deutschen Bahn reise, die bekanntlich nur pünktlich ist, wenn gestreikt wird, weil weniger Züge auf den Strecken sich gegenseitig blockieren.
Am Bahnhof schaue ich mir den imposanten Zug von außen an. Der Zug beeindruckt. Innen wird eine schwäche schnell sichtbar. Es ist zwischen den Sitzen so eng, wie in den Flugzeigen der Billigairlines. Allerdings ist die Verweildauer im Flieger auf den Kurzstrecken geringer. Um mehr Platz zu haben, wählte ich bei der Buchung einen Platz am Tisch. Mein Platz ist allerdings besetzt, ein junger Mann sitzt am Fenster. Wir tauschen die Plätze. Es stellt sich heraus, dass er mich über die ganze Strecke begleiten wird. Der Nachteil bei einem Tischplatz ist, dass vier Personen dort Platz nehmen. Mir gegenüber setzten sich Touristen, die Ihr Gepäck auf den Boden platzieren, statt in den Fächern oberhalb der Sitze. Vielleicht hat die Dame gegenüber gehört, dass Sie auf ihr Gepäck besonders aufpassen muss und stellt deshalb ihre Füße auf ihre Tasche. Meine Beinfreiheit bleibt auf meinen Platz beschränkt. Umsetzten geht nicht, denn der Zug ist ausgebucht. Also stehe ich auf und setze mich auf dem Gang hin. Das ist allerdings überhaupt nicht vorgesehen in dem Pendolino. Es werden nur so viele Tickets verkauft, wie es Sitzplätze gibt. Tickets kauft man online und wählt dort sofort einen Sitzplatz aus.
Auf dem Gang sitzen, wer macht den so etwas?
Schon kommt der Rollcontainer mit dem ersten kostenlosen Café nicht durch den Gang. Hier hat jemand auf Millimeter genau den Platz ausgemessen. Das wird in den frischumgebauten ICEs in Deutschland jetzt auch so sein. Die Bahnunternehmen der Welt streichen den Raum für die Beine, obwohl die Menschen von Generation zu Generation immer größer werden. Auf jeden Fall wecke ich Interesse. Wer setzt sich schon freiwillig auf den Boden, wenn er einen Sitzplatz gebucht hat und stört hier die Abläufe?
Duda im Radio
Neben mir sitzt auf ihren Plätzen ein älteres Ehepaar. Wir kommen ins Gespräch, erst über die Züge und dann über alles Mögliche, auch die Politik. Polen hat einen neuen Präsidenten, er heißt Andrzej Duda. Während ich in den Zug einsteige, erhält er den weißen Adler-Orden und das große Kreuz der Wiedergeburt Polens im königlichen Schloss in Warschau und fährt dann zum Präsidentenpalast. Die Vereidigung des Polenischen Präsidenten ist das große Thema in den Medien und es passt zur meiner Reise. Duda ist in Krakau geboren und wird in Warschau vereidigt. Wir sind mit dem Zug in Krakau gestartet und fahren gerade nach Warschau. Der neue Präsident war bis Mai 2015 Mitglied der Partei „Recht und Gerechtigkeit“, war Abgeordnete im polnischen „Sejm“ und im europäischen Parlament. Er hat für Jarosław und Lech Kaczyński gearbeitet. Lech Kaczyński war Präsident (2006 – 2007) bis zum Absturz einer Tupolew bei Smolensk im Jahr 2010 und ist in Warschau geboren, promovierte und habilitierte in Danzig. Sein Grab befindet sich auf der Wawel-Burg in Krakau. Ich bin in Krakau gestartet und fahre über Warschau nach Danzig.
Recht und Gerechtigkeit hat von 2005 bis 2007 in Polen regiert. Das paar neben mir hat auch noch kein Bild von dem neuen Präsidenten. Duda beginnt sein Amt mit einer Kohabitation. Die regierende Mehrheit gehört der Koalition aus der liberal-konservativen ‚Platforma Obywatelska‘ (Bürgerplattform) mit der Parteivorsitzenden Ewa Kopacz und der gemäßigt konservativen ‚Polnische Volkspartei‘ (PSL). Duda der nationalkonservativen, EU-skeptischen und christdemokratischen ‚Recht und Gerechtigkeit‘. In den nächsten Tagen macht Duda Schlagzeilen mit seiner Verweigerung eines Treffens mit der Premierministerin Ewa Kopacz. Am 1. September stehen Sie bei den Feierlichkeiten zum 76. Angriff auf Polen am Denkmal auf der Westerplatte nebeneinander und der Präsident kommt nicht auf die Dame zu und gibt Ihr nicht die Hand, obwohl nur ihre Bodyguards sie von einander trennen. Duda will dieses Bild nicht in den Medien. Dafür landen ganz viele Bilder davon, dass sie sich nicht begrüßen, sich nicht die Hand geben. Ewa Kopacz spricht in den Medien von ihren Willen, denn Präsidenten zu treffen. Doch Polen befindet sich im Wahlkampf, am 25. Oktober 2015 sind Parlamentswahlen. Der Präsident aller Polen zeigt seine Fratze. Wird sich das bis zu den Wahlen ändern? Wir kommen in Warschau an, das ältere Paar verabschiedet sich, ich setze mich auf meinen Platz. Die Reisenden wechseln, viele Touristen steigen hier aus, die fremden Sprachen verstummen, die polnische Sprach macht sich breit. Eine Reisegruppe steigt ein. Ihre Plätze sind im Großraumwagen verstreut, sie unterhalten den ganzen Wagen. Ein Unternehmen macht eine Integrationsreise und will sich besserkennenlernen auf der Halbinsel Hel an der Ostsee. Sie bleiben im Zug bis zum Ende, ich steige unterwegs aus. Pünktlich komme ich in Danzig an und werde dort von meiner Cousine am Bahnhof abgeholt.